28. Februar 2019

Kiesewetter zu Chancen, den INF-Vertrag zu retten

„Der INF-Vertrag hat Europa 30 Jahre lang geschützt. Jetzt müssen wir neue Lösungen angesichts einer veränderten Weltlage entwickeln“

Heute, Donnerstag, den 28. Februar, diskutiert das Landratsamt Ostalb gemeinsam mit Bundestagsabgeordneten und Bürgermeistern das voraussichtliche Aus des INF-Vertrags von 1987 zwischen den USA und Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR und möchte die Forderungen des „Mutlanger Manifests“ unterstreichen. Darin wird gefordert, den INF-Vertrag angesichts weltweiter Aufrüstungstendenzen zu erhalten und dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt, was die Aufgabe der nuklearen Teilhabe Deutschlands in der NATO mit der Stationierung von Atomwaffen in Büchel bedeuten würde.
 
Kiesewetter: „Der Vertrag hat die Gefahr einer nuklearen Eskalation für 30 Jahre gebannt und Europa geschützt sowie sicherheitspolitisch den Weg zur deutschen Einheit ermöglicht. Zur Wahrheit gehört leider auch, dass sich die Realitäten seither erheblich verändert haben: China besitzt rund 1000 Mittelstreckenraketen, die unter den INF fallen würden und Pakistan, Indien, Iran und Nordkorea rüsten auf. Die Forderung, den INF-Vertrag zu erhalten ist richtig, aber auch nicht ausreichend, um in der neuen Weltlage Sicherheit herzustellen.“
 
Die Blicke der Nuklearstaaten USA und Russland mit einem Anteil von 92% am weltweiten Atomarsenal richten sich deshalb verstärkt nach Asien. Deutschland, die NATO und die USA befürworten einen multilateralen INF-Vertrag.
 
Kiesewetter: „Deutschland hat den Handlungsbedarf erkannt und auch früh mit China einen Dialog aufgebaut. Ich unter-stützte dieses Engagement und halte mich in dieser Woche in Japan auf, um mit unserem Partner in dieser Region Fragen der nuklearen Abrüstung zu besprechen. Die Welt ist komplexer geworden und darauf müssen wir neue Antworten entwickeln.“
 
Russland hat systematisch seit 2008 den INF-Vertrag heimlich unterlaufen und stets abgeleugnet, den Vertrag zu brechen. Die USA machten ihre Vorwürfe 2014 unter Präsident Obama öffentlich und legten Russland Beweise vor. Erst im Frühjahr 2018 gab Russland erstmals zu, ein neues System zu besitzen, beharrt jedoch seitdem darauf, dass es den Vertrag mit einer Reichweite unter 500 KM nicht verletze. Das wirkt überhaupt nicht glaubwürdig und Russland muss hier vollständige Transparenz garantieren, nur so kann verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden. Leider verweigert sich Russland bisher einer konstruktiven Debatte und bedient sich vielmehr einer Rhetorik der Eskalation, so Kiesewetter.
 
Kiesewetter: „Die NATO hat eindeutig klargestellt, dass sie keine Nachrüstung mit nuklearen Mittelstreckenraketen plane und will mit Russland im Dialog bleiben. Gleichzeitig kann die reale Bedrohung Europas durch neue russische Mittelstreckenraketen nicht ausgeblendet werden. Wir müssen uns auch schützen können und Abwehrmaßnahmen treffen!“
 
Kiesewetter schlug wie auch sein Koalitionskollege Rolf Mützenich (SPD) vor, dass die NATO mit einem Transparenzangebot entgegenkommt, um die Vorwürfe der russischen Seite gegen die Raketenabwehr in Rumänien und Polen auszuräumen. Hierbei geht es darum, ob die dort befindlichen Trägersysteme zum Abschuss von Mittelstreckenraketen fähig wären. Die USA und die gesamte NATO besitzen selber keine entsprechenden Boden-Boden-Raketen, sondern die Raketenabwehr ist ausschließlich zum Abschuss anfliegender Interkontinentalraketen stationiert.
 
Kiesewetter: „Ein Ausweg aus dem Dilemma, da sich die realpolitischen Bedingungen geändert haben, wäre die Garantie Russlands zur Stationierung seiner Mittelstreckenraketen ostwärts des Urals, damit diese Europa nicht erreichen können, idealerweise deren komplette Abrüstung. Russland ist bisher nicht bereit, sich für solche Verhandlungen zu öffnen. Deshalb brauchen wir weiter diplomatischen Druck, müssen aber auch zeigen, dass wir bereit zum Handeln sind, um uns zu schützen und bereit für vertrauensbildende Maßnahmen sein.“
 
„Abrüstung schaffe mehr Sicherheit – in diesem Punkt hat das Mutlanger Manifest völlig recht – aber diese muss beidseitig geschehen“, kommentiert Kiesewetter die Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen aus Europa.
 
Denn zur bitteren Wahrheit gehört z.B., dass die Ukraine trotz Abgabe all ihrer Atomwaffen an Russland im Rahmen des Budapester Memorandums 1994 und der im Gegenzug zugesicherten Souveränität heute die Krim-Annexion, einen Krieg im Donbass, 13.000 Tote und 1,6 Millionen Binnenvertriebene zu beklagen hat. Einseitige Abrüstung schafft nicht automatisch mehr Sicherheit. In der UdSSR fanden bekannterweise keine Massendemonstrationen gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen statt. Ein voreiliger Abzug der Atomwaffen aus Deutschland würde vielmehr östliche Partner mit einer stärkeren Bedrohungswahrnehmung ermutigen, Atomwaffen auf ihrem Gebiet zu fordern, so Kiesewetter.
 
„Es kann doch nicht Ziel der "Friedensbewegung" sein, dass die Ausbreitung von Atomwaffen in Europa durch einseitige Schritte Deutschland gefördert wird. Die Bemühungen müssen sich auf den Dialog konzentrieren und neue Lösungen angesichts der weltweiten Ausbreitung von Mittelstreckenraketen entwickeln. Ich habe versucht, durch den gemeinsamen Vorschlag mit Rolf Mützenich eine Debatte in diese Richtung anzustoßen und werde in Japan mit unseren Partnern dazu eng im Gespräch bleiben“, so Kiesewetter abschließend.

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