22. April 2022

Äthiopien steht vor großen Herausforderungen

Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter macht sich vor Ort ein Bild zu den Themen Krieg, Dürre und Migration

In der vergangenen Woche reiste der direktgewählte Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter für eine viertägige Dienstreise in das ostafrikanische Äthiopien, dreimal so groß wie Deutschland und mit 120 Millionen Einwohner.

Der Krieg in der nördlichen Region Tigray, die schlimmste Dürre in Ostafrika aller Zeiten, aber auch die Frage, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine auf die Nahrungsmittelsicherheit in Ostafrika hat - all diese Fragen standen im Mittelpunkt der Reise.

Bei Gesprächen in der Hauptstadt Addis Abeba ging es am ersten Tag der Reise zunächst um Fragen der Afrikanischen Union und um den Krieg im Norden des Landes. Amr Aljowaily, Berater der stellvertretenden Vorsitzenden der Afrikanischen Union,  legte bei einem Gespräch die afrikanischen Perspektiven zu zentralen Fragen der zukünftigen Beziehung zwischen Europa und Afrika dar. So sieht Afrika die EU als Mitbewerber um den afrikanischen Markt und strategischen Partner. In vielen Bereichen gibt es gemeinsame Interessen, deren Bearbeitung im gemeinsamen strategischen Interesse liegt, wie beispielsweise den Kampf gegen den Klimawandel. Der Umgang der EU mit Afrika, als „Partner auf Augenhöhe“ sehen viele afrikanische Länder aber auch kritisch. So wird kritisiert, dass bei Gipfeltreffen oft Dokumente verabschiedet werden sollen, welche von der EU kommen und worauf die AU meist zu wenig Einfluss hat. Wirkliche Augenhöhe sieht Afrika in der Partnerschaft nicht. „Dieses Anliegen müssen wir sehr ernst nehmen. Afrika ist unser Nachbar und natürlicher Partner. Wenn wir nicht echte Augenhöhe zulassen, orientiert sich der Kontinent immer weiter in Richtung China. Afrika gewinnt zunehmend an Bedeutung, dem müssen wir auch in unserem Umgang gerecht werden. Afrika hat eigene Interessen, die es in der Partnerschaft mit Europa erfüllt sehen will. Wir als Europa müssen aufhören in Afrika nur den Kontinent zu sehen, in dem wir durch Geld Entwicklungszusammenarbeit leisten. Beide Seiten müssen ihre Interessen definieren und dann muss die Partnerschaft so ausgestaltet werden, dass beidseitig möglichst viele Interessen erfüllt werden können. Das ist dann echte Augenhöhe“, sieht Kiesewetter durchaus Nachholbedarf auf europäischer Seite im Umgang mit Afrika.

Bei weiteren Gesprächen, unter anderem mit dem deutschen Botschafter Stefan Auer und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im äthiopischen Parlament, Dr. Dima Noggo, stand der Krieg zwischen der Zentralregierung und der nördlichen Region Tigray im Mittelpunkt. Seit 18 Monaten bekämpfen die TLF, die Befreiungsfront Tigrays, die Regierung in Addis. Dieser Bürgerkrieg hat nicht nur unzählige Menschenleben gekostet, sondern ist auch Hemmnis für eine weitere Entwicklung Äthiopiens. „Die gerade beschlossene Waffenruhe ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Erstmals konnte ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmittel die Region erreichen. Vom täglichen Bedarf von ca. 100 Lastwagenladungen Nahrungsmittel, um die Unterversorgung zu stoppen, sind die bisherigen Hilfslieferungen aber noch sehr weit entfernt“, zeigt sich Kiesewetter besorgt. „Konflikte dieser Art gibt es an unzähligen Orten dieser Welt. Sie zeigen, dass wir trotz der absolut richtigen Fokussierung auf den Ukraine-Krieg nicht übersehen dürfen, was in anderen Regionen dieser Welt passiert, “, so Kiesewetter. „ Als Westen kommt uns hier eine zentrale Rolle zu – wir müssen Institutionen wie das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen mit ausreichend Mitteln ausstatten, damit dieses genügend Nahrungsmittel an diese Menschen liefern können. Tun wir das nicht, werden diese Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen. Frieden und Ernährungssicherheit sind zentrale Komponenten im Bereich Fluchtursachenbekämpfung“, appelliert Kiesewetter, Obmann im Auswärtigen Ausschuss, die finanziellen Beteiligung bedarfsgerecht auszugestalten. Der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Ernteausfall verschärft die Ernährungslage in Äthiopien dramatisch. Die Ukraine war die „Kornkammer Afrikas“, alleine 50% des in Äthiopien verwendeten Weizens stammte aus der Ukraine. In anderen Ländern lag die Quote gar bei 100%.

Den Gesprächen in der Hauptstadt folgten Besuche der Städte Hawassa und Jijiga. Im Industriepark von Hawassa sind in den letzten Jahren 77.000 Jobs geschaffen worden. Die äthiopische Regierung hat hierfür 52 komplett eingerichtete Industriehallen gebaut, in welchen internationale Großkonzerne produzieren können. Die Deutsche Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit (GIZ) ist in dem Park ebenfalls aktiv und bietet den meist weiblichen Angestellten Workshops im Bereich Gleichberechtigung an.  

Die Stadt Jijiga liegt in der Region Somali und ist von der aktuell schwersten Dürre aller Zeiten betroffen. 8,5 Millionen Menschen sind aktuellen am Horn von Afrika aufgrund der Dürre von akuter Unterernährung betroffen, davon allein die Hälfte in der Region Somali. Viele internationale Organisationen, wie die GIZ, versuchen die Klimafolgen mit den Einheimischen vor Ort zu bekämpfen. „Die Lage vor Ort ist dramatisch“, stellt Kiesewetter fest. „Aktuell sieht es so aus, als bliebe auch die dritte Regenzeit in Folge aus. Viele Menschen stehen vor dem Hungertot. Der Klimawandel ist hier existenziell bedrohend. Die Region Somali zeigt beispielhaft, wieso Menschen durch Klimaveränderungen gezwungen sind zu fliehen. Der globale Einsatz für den Klimaschutz kommt für Regionen wie Somali letztlich eigentlich zu spät. Hier können nur noch Maßnahmen ergriffen werden, um die Folgen in den Griff zu bekommen. Wir müssen aber alles dafür tun, dass nicht noch weitere Regionen dieser Welt unbewohnbar werden und den Menschen muss vor Ort eine Perspektiven geben werden, damit nicht immer mehr Menschen gezwungen sind zu fliehen“, so Kiesewetter.

„Äthiopien ist wie ein Brennglas für globale Herausforderungen. Wir müssen mehr auf die Menschen vor Ort hören, um mit diesen Herausforderungen umgehen zu können“, fasst Kiesewetter die Eindrücke der Reise zusammen.

 

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